Montag, 7. November 2011

Der Löffel

Den Tag nach der Übung war Tankerwaschen angesagt. Danach begann die große Fahrzeugumstellung auf das Frühjahr. Durch die Ereignisse in Polen war alles in Verzug geraten. Aber so langsam kam alles in seine geordnete Bahn. Roos teilte uns E`s mit hämischer Freude mit, dass wir genau am 30.04. entlassen werden und keinen Tag eher. Er wusste genau wir hatten auf die Entlassung am 28.04. gehofft. Obwohl es sich nur um zwei Tage handelte saß der Stachel tief.   Des Weiteren verkündete er, wer nicht von seinen Angehörigen, Freunden oder Bekannten abgeholt wird, fährt in einem Sammeltransport nach Hause. Na das war vielleicht ein Ding. Ich rief bei Vatern an und fragte nach ob es möglich ist, mich abzuholen und noch zwei Kameraden mitzunehmen. Das dürfte kein Problem sein, meinte er. Was eher ein Problem für mich war, das war der letzte Brief von Conny. Sie bat mich am 30. 04. und am 01.05. nicht zu ihr zu kommen. Sie wäre bis 01.05. noch bei Freunden und erst am Samstag wieder zu Hause. Ich war tief enttäuscht, ich hatte mich so auf den Tag und das Wiedersehen mit ihr und Thomas gefreut. Aber ich ließ mir die Enttäuschung nicht anmerken und versuchte sie zu kaschieren. Zu meinen Kameraden auf dem Zimmer sagte ich, am Tag der Entlassung da wird gefeiert, die Familie muss warten. Dabei war mir ganz Elend zumute. Es nützte nichts, da musste ich durch. Ich fragte mich sowie schon eine ganze Weile, was mir das Leben nach der Armee bringen wird. Eins war klar, es wird ein völlig neues Kapitel in meinem Leben werden. Jetzt galt es erst einmal die letzten Tage bei diesem Verein abzureisen und gesund und munter zu bleiben. Für Dietmar und Meise bedeutete das, den angegammelten Diesel in die umliegenden Kasernen zu fahren, während wir im Fahrzeugpark die Umstellung der Fahrzeuge auf das Frühjahr mit machten. Viel wurde dabei nicht mehr von unserer Seite. Wir waren in Gedanken schon zu Hause. 14 Tage vor der Entlassung kam Roos auf die Idee Erinnerungsfotos zu machen. So recht wussten wir nicht was wir davon halten sollten. Denn wer dachte schon gerne an die Armee zurück? Auch wenn man das Schlechte mit der Zeit vergaß, den mahnenden Zeigefinger werde ich immer vor Augen haben. Andererseits ein paar Bilder von den Kameraden mit denen man 1 ½  Jahre zusammen war, ist keine schlechte Sache. Roos ließ einen Tanker und einen Sattelschlepper auf den Exerzieplatz fahren, wir stellten uns in Pose und Roos fotografierte. Beim Morgenappell gab er  bekannt, dass die E`s sich Zivilklamotten schicken lassen können. Dafür erntete er nur höhnisches Gelächter. Aber ich glaube Roos hatte auch keine andere Reaktion erwartet, denn ihm war schon bewusst, dass jeder E und fast jedes Zwischenschwein Zivilsachen auf der Kaserne heimlich gebunkert hatte. Wir feierten noch einmal eine Riesenparty als wir nur noch einspurig fuhren und dann kam die Tage wo wir von Früh bis Abend Sender der DDR hörten. Es ging das Gerücht, so um die 7 Tage vor der Entlassung würde jedes Mal ein Lied von Andreas Holm gespielt, noch siebenmal Morgenrot. Tatsache am achten Tag vor unserer Entlassung spielte Radio DDR dieses Lied. Ob das Zufall war oder gezielt gespielt wurde war völlig egal. Wir stellten das Radio laut, so das es auch auf dem Flur zu hören war, grölten den Refrain mit und schwangen unser Maßband. Der Böse tobte wie Rumpelstilzchen auf dem Flur hin und her, es interessierte niemanden. Am Vormittag des vorletzten Tages lief mir im Treppenhaus Roos über den Weg. Wie ein kleiner dummer Junge sagte er zu mir, heute habe ich es geschafft, sie bekommen keine Quali I Spange. Na und sagte ich zu ihm, morgen bin ich zu Hause. Ich ließ ihn stehen. Während seine Gesichtszüge erstarrten, wurde mir bewusst, wie sehr ihn das beschäftigt haben musste. An diese olle Spange hatte ich schon längst nicht mehr gedacht. Das Gequatsche von Patschen hatte ich sowie nicht für bahre Münze genommen und mit der Spange gar nicht gerechnet. Gegen 14.00 Uhr war Bataillonsappell. Zirl übergab die Auszeichnungen und die Entlassungstücher. Einige Gefreite wurden zu Unteroffizieren der Reserve befördert. Mario blieb Soldat. Diesmal nahm er es mit Humor und freute sich auf zu Hause.  Zirl sagte Morgen wird er noch eine kurze Ansprache halten wollen, vor den Angehörigen der zukünftigen Reservisten. Die Ansprache würde 10.00 Uhr auf dem Exerzierplatz stattfinden. Wir sausten mit unseren Tüchern auf die Zimmer der anderen Ek`s, wegen der Unterschrift. Als wir alle hatten banden wir uns die Tücher um. Wir feierten noch bis in die späte Nacht. Morgen würde ich mit Arno, Guido und Thomas nach Hause fahren. Vater würde sie bis Dresden Neustadt mitnehmen. Von dort könnten sie mit dem Zug bis Kamenz fahren. Dreiviertel Zehn ließ uns Roos auf der Kompanie antreten, um im Anschluss auf sein Dienstzimmer zu verschwinden. Fünf vor 10 kam der OvD, wo wir blieben. Roos ließ den OvD nicht in sein Dienstzimmer. Viertel Elf kam der Batailloner persönlich um uns zu holen. Er tobte wie ein Verrückter vor Roos seinem Dienstzimmer. Roos blieb wo er war. Zirl nahm uns so mit. Einen größeren Gefallen konnte der Böse uns gar nicht machen. Gehässig lachend verließen wir die Kompanie. Als wir den Exerzierplatz betraten suchte ich mit den Augen meinen Vater und winkte ihm dann zu. Was Zirl zu sagen hatte, ich weise es nicht. In Gedanken war ich schon zu Hause. Zum Abschied pöbelte mich Zapfenludi vor meinem Vater noch einmal an. Ich sagte, verschwinde du Armleuchter. Als wir vor dem Kasernentor standen drehten wir uns alle um und warfen den obligatorischen Löffel über das Tor. Ich schaute meinem Löffel solange hinterher bis er verschwand. Nach dem alle scheppernd gelandet waren brachen wir in einem unbeschreiblichen Jubel aus.

Donnerstag, 3. November 2011

Die letzte Übung

Wenn eine Übung angesetzt war mussten wir uns im Vorfeld mit dem Nötigsten eindecken. Das Nötigste hieß bei uns Rauchern Zigaretten. Ich war mal wieder knapp bei Kasse und besorgt mir zwei Schachteln Zigarillos von der Marke Bodespitzen. Das waren schon fast Stumpen nur mit Mundstück. Kurz bevor es losging herrschte im Bataillon eine gedrückte Stimmung. Die Frage war, geht es nach Polen oder nicht. Macht Euch nicht soviel Gedanken meinte Meise, wir können es sowieso nicht ändern. Da hatte er zweifelsohne recht. Meise und Rudi blieben mit ihren Tankern in der Kaserne. Die Übrigen rückten aus. Als Beifahrer hatten sie mir Fähnrich Brausewetter auf den Bock gesetzt. Das der mit ran musste, zeigte schon den Ernst der Lage. Brausewetter hatte noch nie eine Übung mitmachen müssen. Der saß immer auf seinem Außenposten im Tanklager Erfurt – Marbach und machte sich  einen Bunten. Er führte dort ein recht ziviles Leben. Glücklich war ich nicht darüber, dass gerade er auf meinen Tanker kam, denn schließlich war er der Saufkumpan von Roos. Da musste man sich jedes Wort dreimal überlegen. Am späten Nachmittag ging es los. An der Autobahnauffahrt warteten schon die Alliierten und beobachteten unser Treiben.  Wir fuhren Richtung Hermsdorfer Kreuz. Wie immer wenn es in die Richtung ging machten wir zwischen Jena und Stadtroda unseren obligatorischen Zwischenstopp. Diesmal fuhren wir erst nach dem Hermsdorfer Kreuz auf die Autobahn Richtung Leipzig. Bei Halle endete die Autobahn. Weiter ging es die Landstraße Richtung Magdeburg. In Magdeburg gab es so etwas wie eine Stadtautobahn. Auf dieser querten wir gegen Mitternacht die Stadt und fuhren weiter Richtung Letzlinger Heide. Mit Brausewetter hatte man seine liebe Not. Nach einer halben Stunde Fahrt fragte er mich, ob er sich eine Zigarette anzünden könnte. Denn schließlich war das Rauchen auf den Tankern streng verboten. Es störte mich nicht. Denn heimlich rauchten wir sowieso auf dem Tanker. Als ich mir später dann ein Zigarillo anzündete fing Brausewetter an zu speckern. Ich wüsste schon, dass das Rauchen auf dem Tanker verboten ist. Ich schaute den Fähnrich an und fragte ihn ob er keine anderen Sorgen hätte. Na ja meinte er, wegen Roos, wenn er das mitbekommt, würde er den Ärger kriegen. Zurecht, sagte ich, sie haben schließlich angefangen mit dem Rauchen. Außerdem mache ich diese Scheiße schon fast 1 ½ Jahre mit, ob er wirklich glaubt das ich mich von Roos erwischen lasse. Er sagte nichts mehr. Aller zwei Stunden ließ Roos eine Rast machen. Ich jagte Brausewetter los Proviant fassen, da kam er wenigstens auf andere Gedanken. Wenn er nichts zu tun hatte schlich er bei Roos rum und machte sich wichtig. Der musste einfach beschäftigt werden und spannte ihn bei den technischen Kontrollen mit ein. Kurz bevor wir am frühen Morgen unseren Bezugsraum erreicht hatten ging bei meinem Fahrzeug während der Fahrt der Motor aus. Am Tank konnte es nicht liegen, es musste etwas anderes sein. Ich machte die Warnblinker an und ließ den Tanker an den Straßerand rollen. Rose unser Kradmelder hatte aufgepasst. Keine 5 Minuten später war Roos zur Stelle und kurz darauf kam Uffz. Böhr mit seinem 813 Tatra. Auf dem saß Oberleutnant Herde. Der meinte zu Roos, das wird die Einspritzpumpe sein, die ist ja erst gestern gewechselt wurden. Da hat sich bestimmt ein Verbindungselement gelöst. Roos fing schon wieder an rum zu schreien, Müller warum haben sie während der Rast die Pumpe nicht überprüft. Noch ehe ich etwas sagen konnte, antwortete Herde an meiner Stelle. Die Einspritzpumpe ist verplombt, da kann niemand rumspielen. Roos winkte ab, Müller ich schicke ihnen den Kradmelder entgegen der weist sie dann ein. Der Böse verschwand, Herde lachte, in einer halben Stunde war der Schaden behoben. Ich fuhr Böhr solange hinterher bis Rose mit seinem Motorrad kam. Nach 10 Minuten Fahrt wies  er mir meinen Stellplatz zu und meinte tarne dein Fahrzeug genau unter dieser Tanne ab, Roos kommt kontrollieren. Mit Brausewetter machte ich mich an das Abtarnen. Gemeinsam rollten wir die Netze über den Tanker und brachten die Zeltstangen darunter an. Kaum waren wir fertig kam Gableske mit seinem UAZ und Roos. Schon von weitem hörte ich ihn toben, Müller wo stehen sie mit ihrem Tanker rum. Er fuchtelte wild mit seinen Armen in der Luft herum. Kaum am Tanker angelangt sprang er aus dem UAZ und brüllte mich an, was ich mir raus nehmen würde hier zu halten. Ich sagte zu ihm, hier bin ich eingewiesen worden und deswegen stehe ich hier. Er brüllte weiter wie besessen, EK, EK schreien, aber nicht wissen wo man zu parken hat. Wer hat sie hier eingewiesen? Ich schaute Roos an und sagte angefressen, na wer schon, der Kradmelder. Es ist schlimm dass sie nicht wissen, wenn sie den Befehl gegeben haben. Wo soll ich denn ihrer Meinung nach parken?  Na eine Tanne weiter, brüllte er. Ich schaute ihn fassungslos an, eine Tanne weiter sagte ich, das sind nicht mal zwei Meter. Ja eine Tanne weiter schrie er und stieg in seinen Jeep. In dem Moment kam Rose mit seinem Motorrad aus der nächsten Waldschneise auf uns zu gefahren.
Roos sprang aus seinem Jeep und stürzte sich auf ihn. Wo haben sie den Gefreiten eingewiesen? Na unter der ersten Tanne, wo er jetzt steht, antwortete Rose. Der Böse tickte völlig aus, sie Lump, sie Vaterlandsverräter, ich schieße ihn ins Bein. Er zog seine Makarow.
Ich rief zu Rose, gib gas und hau ab.  Rose gab gas und haute ab. Der Major schaute mich an, steckte seine Pistole ein, stieg wieder in den UAZ und verschwand. Fassungslos hatte Fähnrich Brausewetter zugeschaut, der ist ja nicht nur verrückt, der ist allgemeingefährlich.
Wie lange dienen sie schon unter dem verrückten Pistolero, fragte ich ihn? Mehr sagte ich nicht dazu, denn eine Stunde später, da war ich mir ganz sicher, wäre Roos wieder sein bester Kumpel. Wir tarnten den Tanker ab, fuhren zwei Meter nach vorne und tarnten ihn neu. Nach Stunden des rumgammelns ging es weiter, kreuz und quer ging es durch die Heide bis wir den neuen Bezugsraum erreicht hatten. Im Abstand von 10 Metern parkten wir unsere Fahrzeuge ab. Nach ca. einer Stunde kam Soldat Vogel mit seinem Tanker durch und betankte unsere Fahrzeuge. Der Einfüllstutzen für den Diesel befand sich ziemlich weit oben, so das er die Lkws von einem kleinen Aufstieg der sich an den Tankern befand auftankte. Beim Betanken tropfte etwas Diesel auf die Sprossen. Er rutschte aus und goss mir ungefähr 10 Liter Diesel über den Schopf. Ich stank wie die Pest und war dementsprechend sauer. Ich kramte aus meinem Teil 2 Ersatzunterwäsche und ging zur Wasserkuh. Freilich gab es nur kaltes Wasser. Es nützte nichts, ich reinigte mich so gut ich konnte. Aber man stank immer noch wie so ein Moschusochse. Denn eine neue Uniform war während der Übung nicht zu bekommen. Auf einmal hieß es, sollten Kampfhubschrauber auftauchen, hätten wir in Fahrtrichtung gesehen rechts in die Wälder zu verschwinden und sich um die Gruppenführer zu sammeln. Die Kampfhubschreiber kamen, eine ganze Staffel. Sie flogen auf Wipfelhöhe der Bäume in der Schneise entlang. So wie man sie hörte waren sie auch schon da. Ich war schwer beeindruckt und rannte in den Wald. Hätten mich die Hasen gesehen wären sie vor Neid erblasst. Wenn da mal einer abschmierte, würde hier das Inferno ausbrechen.  Ein Teil der Sattelschlepperfahrer wurden mit ihren Fahrzeugen am späten Abend abkommandiert. Sie mussten  Spritfässer bei den Panzern tauschen. Ich wurde zur Feldwache abgestellt. So war mit schlafen auch nicht viel. Als mir dann doch ein paar wenige Stunden blieben, legte ich mich, wie es mir als E auch zustand, an den Kanonenofen im Zelt. Das war der wärmste Platz. Wie in einem Bienennest schliefen die E`s am Ofen und die Springer am Rand des Zeltes. Wie lange ich geschlafen hatte weis ich nicht, auf einmal rüttelte mich jemand ganz heftig. Es war Uffz. Remus, der rief Müller du brennst. Tatsache mein Hosenbein hatte sich entzündet. Klar das war ja auch ordentlich mit Diesel getränkt. Am nächsten Morgen, damit keine lange Weile aufkam, hatte Roos Übungen angesetzt. Unter anderen war wieder die ABC – Ausbildung auf der Tagesordnung. Spielvogel und ich schauten uns an. Das mussten wir uns nicht antun mit Schnuffi und Schutzanzug rum rennen. Frank meinte komm wir gehen zu meinem Fahrzeug und dort hauen wir uns aufs Ohr. Wir schlichen uns von dannen. Auf einmal klopfte es wie wild an der Fahrertüre, jemand rief, kommen sie daraus. Frank schaute nach draußen und meinte du gute Güte, Pfeffer und Scheffler stehen vor der Tür. Beide waren stellvertretende Divisionskommandeure, Pfeffer war vor wenigen Wochen zum Oberstleutnant befördert wurden und Scheffler war es schon eine ganze Weile. Was wir hier machen, wollten sie wissen. Was für eine Frage, das hatten sie doch gesehen, das wir abgemattet hatten. Also antwortete ich schlafen, Genosse Oberstleutnant. Frank ergänzte, wir waren die ganze Nacht im Einsatz gewesen und irgendwann müssen wir mal schlafen. Ich lachte in mich rein. Sie wissen wohl gar nicht dass es für die gesamte Division ABC Alarm gegeben hat. Ein dummer Zufall, dass das gerade mit Roos seiner Übung zusammen fallen musste und sie das auch noch kontrollierten, war aber nicht zu ändern. Nein, Genosse Oberstleutnant riefen wir. Pfeffer meinte, na dann wollen wir doch mal. Stellen sie ihre Gefechtsanzugsordnung her. Kaum hatten wir die Anzugsordnung hergestellt, rief er Schutzanzug anlegen und stoppte die Zeit. Das hätte er sich schenken können. Die Zeit schafften wir spielend. Im Anschluss jagte er uns um eine Sandgrube die in der Nähe war. Alles Pillepalle, so etwas machte uns nicht an, erst recht nicht, das wir uns im Anschluss bei Roos melden sollten. Roos lachte darüber und rief das geschieht euch beiden recht. Nach dem Mittagessen musste ich zu Zapfenludi, Müller sie werden jetzt abkommandiert. Sie bekommen als Beifahrer Soldat Große mit. Große war Springer und begleitete den Posten eines Spiesschreibers. Er war bis jetzt kaum Lkw gefahren. Da musste man aufpassen dass er richtig spurt. Luderer quackerte weiter, sie werden das Panzerbataillon 4 begleiten. Dort geben sie den Sprit an Uraltanker ab und stoßen morgen wieder zu unserer Truppe. Sie werden dem Oberleutnant Müller unterstellt, der ist für sie verantwortlich. Eine Stunde später erschien er mit einem Ural, den fuhr er selber. So etwas sah man selten. Wir machten uns auf zum Treffpunkt. Dort warteten wir 6 Stunden auf das PB 4. Ein Teil der Panzer war bei der Elbquerung im Schlamm eingebrochen. An der Oberfläche war die Erde fest gewesen aber 20 cm darunter war alles zu spät. Mit Räumpanzern mussten die normalen Panzer rausgezogen werden. Wir wurden der Stabskompanie des PB 4 zugeschlagen. Die bestand hauptsächlich aus Uralfahrzeugen der verschiedensten Art, unter anderem aus Tankern und der Feldküche. Es sollte über Zerbst Richtung Jüterbog gehen. Ich fragte Große ob er sich zutraut den Tanker zu fahren, da könnte ich ein wenig schlafen. Er war begeistert. Ich wies ihn in die Besonderheiten ein und sagte zu ihm keine Panzerstraßen, das schafft der Tanker nicht. Das ist ein ausdrücklicher Befehl von Roos und das war nicht gelogen. Schnell schlief ich ein. In den letzen 72 Stunden hatte ich gerade mal 5 Stunden geschlafen. Auf einmal gab es einen gewaltigen Ruck, ich wurde munter. Der Motor heulte auf  die Räder drehten durch. Wo sind wir, fragte ich Große? Auf einer Panzerstraße. Du Idiot, blaffte ich ihn an und stieg aus. Große jammerte rum, dass er auf Befehl von Oberleutnant Müller gefahren wäre. Na hoffentlich schaufelt er den Tanker für dich frei, sagte ich böse und holte meine drei Schaufeln aus dem Tanker. Die Fahrzeugkolonne war gut organisiert, man merkte die Truppe war eingespielt. Sie hatten mitbekommen, dass der Tanker fest hing. Keine 5 Minuten später standen der Bataillonskommandeur und sein Stellvertreter neben meinem Tanker. Beide waren sie vom Dienstgrad Oberstleutnant. Sie schnappten sich zwei Schaufeln und fingen an die bis zu zweidrittel versunkenen Räder frei zu schaufeln. Die dritte Schaufel drückte ich Große in die Hand. Inzwischen kam Oberleutnant Müller mit seinem Ural rückwärts gefahren. Jeder Ural war mit einer Seilwinde versehen. Ich hängte den Tatra an das Seil. Danach untersuchte ich mein Fahrzeug auf Schäden. Das Ersatzrad das unter dem Tanker befestigt war musste noch freigeschaufelt werden, ansonsten könnte es die Halterung beim Freischleppen abreisen. Die Befestigung des Nummernschildes hatte es im 90 Grad Winkel abgebogen. Ansonsten waren keine Schäden weiter sichtbar. Ich fragte den Oberstleutnant, wie lang die Panzerstraße noch wäre. Er schaute auf sein Messtischblatt und sagte ungefähr noch einen Kilometer. Mir wurde ganz anders. Da konnte noch viel passieren. Wir entschieden den Tanker nach dem Freischleppen am Haken zu lassen. Mühelos zerrte der Ural meinen Tanker frei. Große saß am Lenkrad, während ich schaute dass der Tanker genug Bodenfreiheit bekam. Nachdem der Tanker frei war übernahm ich das Fahren. Eine halbe Stunde später hatten wir den Bezugsraum erreicht.
Bevor ich die Technik einsatzbereit machte, legte ich mich noch einmal unter den Tanker. Es war wirklich kein Schaden zu erkennen. Die Halterung vom Nummernschild war angebrochen. Ich entschloss mich sie nicht gerade zu biegen. In der Kaserne konnte ich sie anschweißen lassen, sollte sie wegbrechen. Große beauftragte ich den Tanker im Sichtbereich  und vor allem um das Ersatzrad vom Sand zu befreien. Nach dem ich die Technik startklar gemacht hatte, sprang ich vom Tanker und stolperte in den nächsten Busch. Mit der Fußspitze stieß ich an einen Gegenstand. Ich bog den Busch auseinander, da lag eine Granate ungefähr einen halben Meter lang und 100 Millimeter im Durchmesser. Keinen Meter weg vom Tanker. Entsetzt sauste ich zum Oberleutnant und der zum Oberstleutnant. Staunend standen wir um die Riesenmumpel. Der Oberstleutnant beorderte einen Waffenexperten zum Fund. Der gab Entwarnung, ist nur eine Übungsgranate, die ist nicht gefährlich. Aber so richtig wohl war mir trotzdem nicht. In den nächsten Stunden gab ich meinen Sprit an zwei Uraltanker ab. Sobald diese ihren Sprit an den Bestimmungsort gefahren hatten kamen sie wieder und das Spiel fing von vorne an. Am Nachmittag war die Arbeit erledigt. In unmittelbarer Nähe standen gigantische Bunker herum. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Mit Oberleutnant Müller lief ich zu so einer Anlage. Meterdicke Betonwände, einfach gigantisch. Wir stöberten bestimmt eine Stunde in dem Objekt herum. Müller meinte nach dem Krieg hätte hier die SS drinnen gesessen. Die Russen hätten versucht sie rauszubomben, keine Chance. Sie mussten die SS aushungern. Naja bei der Story hatte ich meine Zweifel, denn mit Gas hätte man das schneller erledigt, aber ich sagte nichts. Neben dem Bunker lag eine Panzerstraße. Ohrenbetäubender Lärm ließ uns aufhorchen. Panzer waren im Anmarsch. Alles T 72 Panzer meinte Müller begeistert. Mich interessierte das wenig. Ich machte mir Gedanken, wie wir von hier wieder weg kommen und fragte den Oberleutnant diesbezüglich. Der meinte, er hätte heute Vormittag schon eine Strecke abgefahren, die würde ich ohne größere Probleme auch bewältigen können. Sollte es trotzdem Probleme geben, käme ich wieder an den Haken. Kurz vor Mitternacht brachen wir auf. Wir mussten die Panzerstraße queren, natürlich hingen wir wieder fest. Aber es war das letzte Mal. Nach einer halben Stunde erreichten wir eine Landstraße. Es tauchte im nächtlichen Dunst eine Ortschaft auf. Doch was war mit dem Ortsschild los, es sah so komisch aus? In kyrillischen Buchstaben stand da altes Lager. Ich war fassungslos, mitten in der DDR eine russische Ortsbezeichnung. Wo waren wir nur hingekommen? Es ging weiter über Jüterbog, Herzberg nach Schlieben. Hier befand sich ein großes Tanklager der NVA. Müller verabschiedete sich von mir, er fuhr zurück. Ich wartete auf unsere Truppe. Die sollte in zwei Stunden hier eintreffen. Im Tanklager gab es mehr zivile Kräfte wie Soldaten. Ich fragte einen der Zivilangestellten ob wir hier duschen könnten und erzählte ihm von meinem Missgeschick. Kein Problem meinte er, wir haben auch noch eine neue Wattekombi für dich. Du brauchst bloß die Schulterstücke wechseln. Was ich auch ganz schnell tat. Nach dem Duschen fühlte ich mich wie neu geboren. Dann kam auch schon Roos mit seiner Truppe. Kaum angelangt schlich er um meinen Tanker. Er musste wohl seine Erfahrung mit solchen Einsätzen gemacht haben. Er sah mein Nummerschild, na Müller brüllte er, sind wir trotz meines ausdrücklichen Befehls die Panzerstraße lang gefahren. Große neben mir wurde klein. Nee, Genosse Major antwortete ich, wir haben eine gequert, da ist es halt passiert. Er kroch halb unter den Tanker und knurrte böse, biegen sie das Nummernschild gerade. Ich gab zu bedenken es könnte wegbrechen. Zu allem zu blöde, schaute mich verächtlich an und machte es selber. Er hatte das Nummernschild in der Hand. Wütend schmiss er es mir vor die Füße. Ich grinste gehässig.
Roos teilte die Kompanie auf. Vier Tanker waren leer die blieben hier. Der Hauptteil der Truppe fuhr unter Lücks Kommando zurück nach Erfurt. Roos handelte mit irgendeinem Zivilangestellten herum. Im Anschluss meinte er, wir nehmen Diesel mit, der ist restlos überlagert und muss weg. Während ich noch überlegte ob man Diesel überlagern kann, füllten sie den ersten Tanker. Wir schauten in die Kontrollluke. Tatsache der Diesel flockte. Nach dem Betanken fuhren wir über Torgau, Krostitz auf die Autobahn Berlin – München. Als Beifahrer hatten sie mir wieder Brausewetter auf den Bock gesetzt. Kurz bevor es auf die Autobahn ging machte Roos eine Rast und plärrte rum, das mir auch immer die Batterieanschlüsse während der Pausen kontrolliert werden. Vergnatzt baute ich auf der Beifahrerseite die Sitzbank aus und kontrollierte die Anschlüsse.  Kaum waren wir auf der Autobahn standen schon wieder die Alliierten rum. Ich glaube diesmal waren es Franzosen. Sie filmten uns mit einer Schmalfilmkamera. Ich grüßte sie mit dem Victoryzeichen. Genüsslich rauchte ich dabei meine Bode Spitzen. Kurz vor dem Hermsdorfer Kreuz fuhr Roos mit uns auf einen Parkplatz für Lkws. Diesmal schenkte ich mir das Kontrollieren der Batterie. Nach 10 Minuten brüllte Roos aufsitzen. Ich stieg ein und wollte den Lkw starten. Es macht nur müde klick, klick. Das gab es doch gar nicht dachte ich, einmal kontrollierst du nicht und dann das. Ich sprang aus dem Fahrzeug und stürmte zum UAZ vom Major und rief mein Tanker springt nicht an. Wütend rief der Major da haben sie wohl die Batterie nicht kontrolliert, sie Zündi. Jetzt wurde er persönlich, nichts wie weg dachte ich und machte mich auf die Anschlüsse zu kontrollieren. Ich pelzte Brausewetter vom Beifahrersitz um an die Anschlüsse zu kommen. Während ich die Rücksitzbank entfernte kam Roos angetobt. Vom Wahn befallen, schrie er mich an, vor das Militärgericht müsste man sie schleifen, sie Verbrecher sie, trommelte und schlug in seiner Rage auf meinen Rücken ein. Er hörte überhaupt nicht auf. In Bruchteilen von Sekunden spukte mir alles möglich durch den Kopf. Das konnte ich mir auf keinen Fall gefallen lassen. Aber zurückschlagen, es waren keine drei Wochen mehr bis nach Hause. Ob das Militärgericht mir recht geben würde? Blitzschnell drehte ich mich zum Major um und brüllte ihn an, da haben sie aber großes Glück Genosse Major. Verdutzt hielt er inne, mit was? In 19 Tagen sind sie mich los und sie dürfen hier weiter dienen. Roos sein Gesicht erstarrte zur Maske, da haben sie recht sagte er, drehte sich um und ging. An der Batterie hatte sich wirklich ein Kabel gelöst, schnell schloss ich es an. Der Rest der Fahrt verlief ohne Zwischenfälle. Fähnrich Brausewetter sagte zu mir, das haben sie klug gelöst aber wenn sie zurück geschlagen hätten, ich hätte zu ihren Gunsten ausgesagt.
Ich schaute ihn an und sagte na klar. Zwei Tage später kam Brausewetter auf die Kompanie geschlichen mit seiner obligatorischen Tasche und verschwand bei Roos im Dienstzimmer.


Kurz vor Ultimo

 Roos hatte mal wieder OvD. Wie immer in solchen Fällen mussten wir den Frühsport mit machen. Wir standen in Reih und Glied angetreten vor der Kompanie. Der Böse schlich um uns herum. Er blieb vor mir stehen und musterte meine Anzugsordnung. Auf einmal brüllte er los, na Müller da sind wir wohl beim Bierholen am Stacheldraht hängen geblieben. Es war nicht zu fassen, da bin ich fast 1 ½  Jahre mit geflickter Trainingshose rumgesaust und kurz vor der Entlassung merkte er es doch noch. Ich hatte ein paar Mal Anlauf genommen um sie zu tauschen aber Graichen hatte sich immer absolut eng gehabt mit so etwas. Ende des zweiten Diensthalbjahres hatte ich es dann aufgegeben ihn danach zu betteln. Die Hose flickte ich noch einmal fachgerecht. Roos benötigte eine dumme Antwort und die gab ich ihm. Denken sie Genosse Major, dass ich das noch drauf habe. Der einzig wahre E lässt Bier holen. Die Kompanie johlte vor Freude. Roos zog ein Gesicht und ging.Mit offiziellen Ausgang sah es auch schlecht aus. Zapfenludi strich mich mit schöner Regelmäßigkeit persönlich von der Liste. Das war nicht weiter schlimm, entweder ging ich in Zivil oder ohne Ausgangskarte raus. Die Jungs am KDL machten da keinen Ärger. Eines Sonntags Nachmittag sagte Spielvogels Franky zu mir, ich habe Durst, komm lass uns in den Ausgang verschwinden. Wir zogen uns um und verschwanden aus der Kaserne. Frank meinte, lass uns in die kleine Parkgaststätte gehen. Die befand sich unweit der Kaserne. Wir betraten die Lokalität, sie war halb voll, und suchten uns zwei Plätzchen. Wir wollten uns gerade setzten, da rief jemand, Jungs kommt zu mir an den Tisch. Wir schauten uns um, ich sah niemanden. Frank war da fixer, er rief hallo Hauptmann. Ich schaute in die Richtung, ach du grüne Neune, da saß der Knollenhafte in Zivil. Wir gingen rüber und grüßten Hauptmann Knoll. Nicht so förmlich meinte er, ihr werd euch den Ausgang redlich verdient haben. Na immer, sagte Frank. Der Knollenhafte zeigte auf die Stühle, nehmt endlich Platz, ich habe schon zwei Bier für Euch bestellt. Ihr könnt ja auch nichts dafür dass ihr beim Roos dienen müsst, wir lachten. Frank wurde bei einer Übung einmal zur zweiten Kompanie abkommandiert, seitdem kannte er  Knoll näher. Es wurde ein gemütlicher Nachmittag und Abend. Der Hauptmann übernahm die Rechnung. Am nächsten Tag lief  Frank ihm über den Weg, er meinte nur, ihr Hunde hattet gar keinen Ausgang und lachte. Damit war die Sache für ihn erledigt. Einige Tage später bestellte mich Patschen auf sein Dienstzimmer, es wäre dringend, ich sollte mich beeilen. Gemächlich trabte ich zu ihm. Der Lückenhafte saß mit im Zimmer. Patschen machte ein wichtiges Gesicht, Müller meinte er, wir haben dich und dein Fahrzeug für eine Spezialübung vorgesehen. Der Hauptmann und ich werden die Soldaten von unserer Truppe kommandieren. Es geht nach Kasachstan. Wohin geht das, fragte ich erstaunt? Nach Kasachstan in die Sowjetunion. Ich musste lachen. Müller, lach nicht so blöd, meinte Patschen verärgert.  Der Hauptmann erklärte. Die Artilleristen von der Henne, werden dort eine Rakete abschießen und wir sind für die Treibstoffzufuhr verantwortlich. Dein Tanker und wir werden eine etwas längere Zugfahrt machen. Das Alles dauert ungefähr einen Monat. Meine Augen wurden vor staunen immer größer. Hauptmann wissen sie wo ich in einem Monat bin? Er schüttelte den Kopf. Na zu Hause und ich werde keine Überstunden für den Verein hier schieben. Ach ja meinte er, Schade, mit ihnen war immer ein gutes Auskommen. Das war ein Ding, nach Kasachstan in die Wüste, das wäre schon reizvoll gewesen. Ich grüßte sagte Danke und ging. Die Worte vom Hauptmann waren Balsam für die Seele. Inzwischen waren die Tanker mit der Optimierung des Dieselverbrauches dran. Sie hatten festgestellt meiner verbraucht mit den  Meisten und bestellten eine neue Dieselpumpe. Meise und Dietmar wurden zum Pumpenwechsel abgestellt. Mit den Resioffizieren waren sie für die gesamten Tanker verantwortlich. Wir Anderen zogen auf Wache. Graichen, teilte mich wieder für den Posten 2 ein. Soldat Vogel vom zweiten Diensthalbjahr fing an rumzumotzen. Immer steht Müller auf dem Posten, die Anderen würden auch mal gerne den Posten 2 haben. Du dummer Zwischenpisser sagte ich zu ihm verärgert, das kannst du in einem Monat, wenn ich zu Hause bin. Graichen meinte zu Vogel, du hast wohl absolute Höhe. Kurz darauf kam Roos zur Wachbelehrung. Vogel beschwerte sich bei ihm. Er war einfach dumm, in einem Monat wäre er der E. Das war ein klarer Verstoß gegen den Ehrenkodex der EK – Bewegung. Graichen meinte sooft steht Müller gar nicht auf Posten 2. Roos ließ sich die Wachprotokolle geben und sagte, Vogel steht heute Posten 2 und die nächsten Mal dann vorm Fahrzeugpark. Das war der unbeliebteste Posten bei uns Soldaten. Ich lachte böse und sagte zu Vogel, das brauchst du. Graichen stellte mich auf Posten 1 den anderen Nachtposten. Damit wurden dem ersten und zweitem Diensthalbjahr jegliche Lust genommen auf zu zucken. Die Hackordnung musste eingehalten werden, das war die Grundlage der Disziplin. Die Bewegung funktionierte, egal ob Offizier, Unteroffizier oder Gefreiter, jeder bediente sich ihrer, wenn er sie brauchte. Da zählten auch keine alten Feindschaften, das war das ungeschriebene Gesetz. Inzwischen hatte man die Alarmbereitschaft auf die nächste Stufe gehieft. Langsam aber sicher wurde uns anders. Keiner hatte Lust auf Kriegsspiele. Wieder wurde eine Kommandostabsübung angesetzt, Ziel Letzlinger Heide. Es sollte mit scharfer Munition geschossen werden. 80 Prozent der Truppe sollte ausrücken. Der Rest der Kompanie blieb bei den eigenen Fahrzeugen. Als Beifahrer sollten Offiziere und Fähnriche auf die Lkws. Keiner wusste etwas Genaues. Es gingen Gerüchte, das wir in Polen mit der polnischen Armee eine gemeinsame Übung abhalten sollten.

Dienstag, 25. Oktober 2011

Das letzte viertel Jahr

Der Februar hatte begonnen, noch drei Monate Asche. Dann war es geschafft. Es kamen am Monatsanfang noch einmal ein Schwung Resioffiziere. Diesmal waren Kfz – Ingenieure dabei die Ahnung hatten von der Technik und zwei von denen hatten auch Lust etwas zu bewegen. Einer von ihnen wurde Patschen zugeteilt und war ebenfalls ein Oberleutnant. Ich hatte einen ganz guten Draht zu ihm. Nachdem er sich mit der Fahrzeugtechnik vertraut gemacht hatte, sagte er zu mir, Mensch Müller, wenn ich euch mal draußen rum fahren sehe, mache ich einen großen Bogen um euere Fahrzeuge. Na so schlimm sieht es doch gar nicht aus, meinte ich zu ihm. Sie müssen das Mal von einer anderen Seite betrachten. Von unserem Diensthalbjahr hat nicht einer mit der Kfz – Technik im zivilen  Leben zu schaffen und mich zum Beispiel interessieren diese Fahrzeuge überhaupt nicht. Wir sind auch nicht freiwillig hier, genauso wenig wie sie. Was soll da schon weiter werden. Solange der Ami  noch keine Kaugummis vor der Kaserne verkauft und wir noch in der Kaserne sind, weil die Fahrzeuge nicht vom Hof rollen, ist das in Ordnung. Er musste lachen.
Das es vielen Berufsoffizieren der höheren Chargen nicht zum lachen war merkten wir immer deutlicher. Die Ungewissheit was mit Polen wird war groß. Es wurden wieder normale Resis gezogen. Wir sahen die Truppe um den Gefreiten Budig wieder. Das hatten sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht vorgestellt, wieder bei der Armee zu landen. Diesmal wurden sie nicht aufgeteilt und lagen in separaten Zimmern. Man hatte sie von zu Hause direkt vorm Fernseher weg geholt. Sie waren alle stinke sauer. Ich konnte sie verstehen. Vor allem gammelten sie nur rum, keiner konnte mit ihnen etwas anfangen. Sie erhielten die neuen Watte Kombis. Die waren im Ein Strich - Kein Strich Look gehalten. Ich hatte schon von den neuen Winterkombis gehört, jetzt sah ich sie das erste Mal.  Nach 14 Tagen wurden die Resis wieder entlassen. Lachend sagte ich zu Budig, vielleicht sehen wir uns hier noch einmal wieder. Er zeigte mir einen Vogel. Mein letzter Urlaub stand auch noch an. Eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust nach Hause zu fahren, denn mir graute schon vor dem Rückweg. Mit der Zeit drückte die Trennung gewaltig auf das Gemüt, zumindest bei mir. Dass ich da mal so empfindlich wurde hätte ich nicht gedacht. Ich sagte mir immer wieder, es ist das letzte Mal. Dann sieht dich dieser Scheißverein nie wieder. Während des Urlaubes ließ ich mich auf Arbeit sehen. Man sagte mir, dass ich in Dohna anfangen werde. Die neue Drehbank würde schon auf mich warten. Conny ging es immer besser, sie war richtig gut drauf. Thomas war auch nicht mehr ganz so stressig, er entwickelte sich recht ordentlich. Auch bei Roland gab es Neues zu vermelden. Da sie ihn weiterhin noch nicht für die Armee vorgesehen hatten, wechselte er seine Arbeitsstelle. Bei Taxi auf der Tharandter Straße hatte er als Brigadier in der Kfz – Werkstatt angefangen. Er meinte es wird Zeit das du wieder nach Hause kommst, es steht einiges an. Roland freute sich schon auf den Männertag. Im letzten Jahr waren sie mit dem Dampfer elbaufwärts bis Rathen gefahren und hatten gewaltig einen drauf gemacht. Den Schaufelraddampfer hatten sie aufgeschaukelt, in dem die rund 200 Männer an Bord von einer Seite auf die Andere gerannt waren und immer wieder von vorne.  Der Kapitän hatte getobt, wenn nicht sofort Schluss ist damit, legt er an der nächsten Anlegestelle an und dann ist endgültig Feierabend. Dieses Jahr wollten sie auf das Grundstück von Manne wandern und dann feiern. Manne hatte sich mit einem Kumpel aus seiner Klicke ein Grundstück in Ottendorf am Rande der Sächsischen Schweiz gekauft. Er Kumpel hieß Ralf.  Da dieses Grundstück der Kirche gehörte ging das nur über einen Erbpachtvertrag. Das Haus war schon viele hundert Jahre alt. Beide hatten sich vorgenommen dieses Haus wieder originalgetreu herzurichten. Ralf war von Beruf Restaurator, Manne war Bauingenieur. Da war beides zusammen, Kompetenz und Beziehung. Eine gute Voraussetzung dass es gelingen könnte. Aber bis dahin war es noch ein Stückchen. Ich musste erst einmal wieder nach Erfurt. Mit langer Nase und Arno ging es zurück. Im Bataillon war man auf den Dreh gekommen den Spritverbrauch zu optimieren. Sollten sie nur machen, mir war es Wurst. Die Kfz – Ingenieure brachten das notwendige Wissen mit. Zuerst überprüfte man die Sattelschlepper. Selber konnte man gar nicht allzu viel helfen, da wir zwischenrein immer wieder Wache schoben. Eines Tages standen die Tankerfahrer vom dritten Diensthalbjahr wieder Wache. Mich hatten sie diesmal verschont, Roos persönlich hatte befohlen ich sollte angerostete Dieselleitungen an den Tankern wechseln. Bestimmt musste ich dies machen, weil die Leitungen an meinem Tanker am schlimmsten aussahen. Es war Samstag und hatte gerade meine Arbeit beendet. Da ich der Letzte von uns im Fahrzeugpark war ging ich zum UvD, um Bescheid zu geben, dass der Fahrzeugpark wieder verschlossen werden kann, als gerade der OvD des Weges kam. Er war aufgeregt und sagte zum UvD, dem Hauptmann Pemsel seine Ex - Frau hat gerade angerufen. Der hat im Suff die ganze Wohnungseinrichtung kurz und klein geschlagen und ist jetzt auf dem Weg in die Kaserne. Ich lasse ihn sofort festsetzen und dann wird er im Dienstzimmer von Major Roos arretiert. Ein Posten wird davorgestellt. Sollte er versuchen auszubrechen ist sofort ohne Warnung zu schießen. Sind sie sich da sicher fragte der UvD, der OvD nickte. Es war schon verrückt. Sie stellten als ersten Posten Meise davor. Er meinte hoffentlich macht Pemsel keine Scheiße, ich habe wahrlich keine Lust auf den zu schießen. Wer hat das schon meinte ich, außer vielleicht, ich sprach es nicht aus und grinste. Meise guckte mich an, er hatte es verstanden. Pemsel holten die Kettenhunde des Nachts ab. Was mit ihm geworden ist, keiner hat etwas erfahren.
Roos hatte mal wieder Nachtschießen angesetzt. Am späten Abend 22.00 Uhr sollte es losgehen. Schon zum Morgenappell tönte er, wenn die E`s denken Fahrkarten schießen zu müssen, bleiben die solange draußen, bis ein vertretbares Ergebnis vorliegt. Die Temperaturen am Tag waren um die 5 Grad Celsius, es war Nasskalt und Tauwetter hatte eingesetzt. Roos hatte aus meiner Sicht Glück mit dem Wetter, da hatte keiner Lust länger als notwendig auf dem Schießplatz zu bleiben. Denn traditionell wurde das letzte Schießen zum Fahrkartenschießen genutzt. Zum Leidwesen der Offiziere. Als wir auf die Lkws stiegen fing es an zu regnen. Um auf den Schießplatz zu kommen musste ein Bach gequert werden. Das Schmelzwasser hatte ihn gewaltig ansteigen lassen. Roos teilte zwei Wachposten an kritischen Punkten ein. Wenn sie den Posten bezogen hatten und keine Gefahr in Verzug war, sollten sie eine Leuchtrakete grün steigen lassen, bei Gefahr rot. Der lange Müller und Soldat Rose zogen los. Rose war Vize und unser neuer Kradmelder. Nach einer halben Stunde schoss Rose die Grüne Leuchtrakete ab und Müller die Rote. Zapfenludi  musste nachschauen was beim Langen los war. Nach einer Dreiviertelstunde war er zurück. Der Lange hatte die Raketen verwechselt. Peinlich für einen Ek. Als ich mit schießen dran war schnappte ich mir die Kaschi vom Springschilling. Diesmal motzte er nicht mehr rum. Gleich mit der ersten Salve traf ich die Zielbeleuchtung. Die Leuchtlampe musste gewechselt werden. Das dauerte wieder eine knappe halbe Stunde. Das passierte drei Mal bei diesem Schießen. Meise und Mario schossen Fahrkarten. Besonders bei Mario war Roos sauer, denn er hatte eine Affenschaukel. Früh gegen 5.00 Uhr war das Schiessen beendet. Die Kaserne erreichten wir in etwa 7.00 Uhr und schlafen durften wir bis 11.00 Uhr. Im Anschluss war Waffenreinigen angesagt. Resioffizier Oberleutnant Herde, Patschens Stellvertreter, beaufsichtigte das Putzen. Lustlos schob ich den Laufreiniger dreimal durch den Lauf, schaute durch, alles sauber. Wo sollte der Dreck denn auch herkommen. Ich hatte ja mit Springschillings Kaschi geschossen und verkrümelte mich aufs Zimmer. Ein gründliches Waffenputzen dauerte wenigstens eine Stunde. Als es ans kontrollieren ging war ich bei den Ersten. Der Oberleutnant schaute in den Lauf, danach mich an. Müller willst du mich verarschen? Nö meinte, ich warum? Er hielt mir den Lauf unter die Nase, ich schaute durch. Ein erstauntes Och, entschlüpfte meinen Mund. Ein großer Dreckklumpen lag im Lauf. Ich fragte mich ernsthaft wo der herkam. Das konnte ja normalerweise nicht sein. Aber was war bei der Asche schon normal? Ich nuschelte eine Entschuldigung und sah zu dass der Klumpen aus dem Lauf verschwand.
Am 7. März war wieder Tag der NVA. Genau wie das letzte Mal mussten die Fahrzeuge wieder auf Vordermann gebracht werden. Patschen delegierte die Sache an Herde weiter.
Ich stand wieder Wache, diesmal mit Soldat Rose auf Posten eins.
Mario hatte insgeheim gehofft doch noch zum Gefreiten befördert zu werden. Er wurde enttäuscht. Ich lachte ihn aus.




Mittwoch, 19. Oktober 2011

Armeetrott

 Alles lief in tief eingeschnittenen Bahnen ab. Vieles hatten wir schon in den ersten beiden Diensthalbjahren kennen gelernt, vieles war Wiederholung und wurde zur Routine. Da kamen Abwechslungen gerade Recht. Es kündigte sich der Besuch eines Generals aus Berlin an. Er soll mal Kommandeur der 4. Motschützendivision  gewesen sein, der Vorgänger vom jetzigen Chef Oberst Gleau. Sein Name war Seefeld. Den Namen hatte ich noch nie gehört und würde ihn bestimmt schnell wieder vergessen. Aber der Batailloner kannte ihn gut, er war ja unter ihm zum stellvertretenden Divisionskommandeur berufen wurden. Bestimmt erhoffte er sich seine Wiederbeförderung von ihm. Bekanntlicher Weise stirbt die Hoffnung zuletzt. Auf was für Ideen die da kamen, um das Bataillon von der besten Seite zu repräsentieren. Es wurde allen Ernstes erwogen den Rasen grün zu spritzen, wo er nicht mehr so dicht wuchs. Gott sei Dank setzten sich die vernünftigeren Offiziere durch und der Unsinn unterblieb. Aber der Bordstein wurde weiß gestrichen. Das sah sogar richtig schick aus. Wir empfingen den General mit einem Bataillonsappell. Ich sah das erste Mal in meinem Leben einen General live. Ich fand die Generalsuniform albern. Sie war mehr grünlicher wie die anderen Uniformen und an der Seite mit dicken roten Streifen verziert. Ich musste an einem Papagei denken, wie er da so anstolziert kam. Er richtete ein paar Worte an uns um dann mit Zirl im Stabsgebäude zu verschwinden und er wurde nie mehr gesehen.
Kurz nach dem Besuch des Generals hielt die erste Kompanie eine Übung ab. Die erste Kompanie des Major Schmalz war ja so etwas wie die Stabskompanie. Ihre Technik diente in erster Linie den Stabsoffizieren im Einsatz oder es waren Spezialfahrzeuge für besondere Einsätze. Zirl entschloss sich kurzfristig die Kompanie während der Übung zu besuchen. Er machte sich am späten Nachmittag auf zur Stippvisite. Was er da zu sehen bekam zog ihm die Schuhe aus. Zwei drittel der Kompanie lag besoffen in den Zelten und Fahrzeugen rum. Feldwache war Fehlanzeige. Der Oberstleutnant tobte, er rief nach Beendigung der Übung einen Bataillonsappell ein. Es hagelte an Degradierungen und Strafversetzungen. Das fing bei den Gefreiten an und endete bei den Offizieren. Am schlimmsten erwischte es die Unteroffiziersränge. Wenn Offizier und Unteroffiziere strafversetzt wurden erfuhr man nie wo die hinkamen. Mich interessierte das schon, denn die Meisten von denen waren ja schon strafversetzt als sie zu uns kamen. Da fragte man sich schon, was nach uns kam.
Wenig später musste Gefreiter Clauß von unserer Kompanie mit seinem Kranfahrzeug zu einem Noteinsatz. Der Kranfahrer der ersten Kompanie war mit seinem Ausleger in die Hochspannungsleitungen geraten. Der Kran musste geborgen werden. Dem Kranfahrer war Gott sei Dank nichts passiert. In seiner Kanzel saß er wie in einem faradayschen Käfig. Unteroffizier Boehr musste auch mit seinem 813 Tatra raus. Mit vereinten Kräften bargen sie den Kran und stellten ihn im Kfz Park vor der Werkstatt ab. Am nächsten Tag schaute ich mir den Kran an. Man sah genau wo der Strom entlang geflossen war. Er hatte gewaltige Brandspuren hinterlassen das Stahlseil des Krans war durchgeschmort. Am Ausleger sah man die Eintrittsstelle und an den Reifen die Austrittsstellen. Alle  Räder hatten Plattfuß. Die Brandspur war ungefähr 10 Zenzimeter breit. Der verbrannte Gummi stank immer noch gewaltig. Der Kranfahrer wurde zum Soldaten degradiert. Die Zahl der Gefreiten auf der ersten Kompanie nahm eine bedenkliche Größe an.
Die Springer lumperten wieder einmal rum. Im speziellen waren es Krause - Huddel, Springschilling und Taumelmüller. Sie hatten die Betten früh schlecht gebaut. Der Major persönlich hatte sie eingerissen. Wir mussten die Betten selber noch einmal bauen.  Dafür hatte ich ihnen kanadischen Winter auf dem Flur verpasst. Das war die nicht ganz so schwere Art der Bestrafung. Auf dem Zimmer das wäre schlimmer gewesen. Ich streute P3 auf den Korridor und ging in den Fernsehraum. Nach einer halben Stunde kam Spielvogel in den Fernsehraum und fragte mich, ob ich wüsste was meine Springer machen? Na klar denen habe ich kanadischen Winter verpasst.  Spielvogel sagte, da geh mal gucken was die Treiben. Ich ging auf den Flur und dachte mein Schwein pfeift. Sie kehrten das P3 mit dem Besen zusammen und schütteten es in den Eimer. Ich ließ den Gang fertig kehren. Danach ging ich zu ihnen hin, sie wären fertig mit dem Gang. Ja klar sagte ich, mit kehren und jetzt machen wir das ganze Spiel noch einmal mit Wasser. Frank schüttete vom anderen Gang Ende  neues P3. Ich holte das Wasser mit dem Eimer persönlich aus dem Bad und kippte es auf das Scheuermittel. Die Springer standen wie angewurzelt. Krause giftete los, das machen wir nicht. Ich schnappte mir Krause und sagte, du alter Giftzwerg, wenn ihr die Arbeit gleich richtig gemacht hättet, wärd ihr zur Hälfte schon fertig. Jetzt fangt ihr eben noch einmal von vorne an. Hoffentlich bleuen dir das mal deine eigenen Zimmerkameraden ein. Damit das diesmal besser klappt, hole ich jetzt einen Vieze der euch beaufsichtigt, ihr müsst doch wohl spinnen. Ich holte Speer, der sie beaufsichtigte.
Ende Januar war wieder eine EK Feier angesagt. Wir hatten am Maßband eine Spur verloren. Noch 99 Tage bis zur Entlassung. Das musste natürlich gefeiert werden. Die LMAA Stimmung wurde größer. Die nächsten Übungen standen an. Es ging um die Qualispangen. Die Qualispangen  waren eigentlich die einzigen anerkannten Auszeichnungen unter den Soldaten. Die musste man sich wirklich durch Können verdienen. Ich besaß die Quali III. Die hatte ich im ersten Diensthalbjahr abgelegt. Die Quali II hatte ich nicht machen können, da ich gerade Feuerwache stand. Nun konnte ich die Quali I ablegen. Dafür gab es schließlich 130 Mark. Früh zum Morgenappell standen wir vor der Kompanie. Allgemeines Volksgemurmel herrschte unter uns Soldaten. Roos fing an rumzubrüllen, vielleicht ist hier bald Ruhe oder hat von den Herren EK jemand keine Lust auf die Quali I? Roos wusste wie scharf wir auf die Spange waren, aber die Frage von ihm war so etwas von provokativ, das ich mich spontan zu einem ich entschloss. Richtig laut rief ich, damit es auch alle hörten, ich Genosse Major möchte die Qualispange nicht ablegen. In 87 Tagen bin ich zu Hause, da gehe ich wieder arbeiten und verdiene eigenes Geld. Schlagartig war Ruhe, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können. Roos klappte der Kiefer nach unten. Aber nicht lange, dann sagte er, Müller raus treten. Das erste Diensthalbjahr johlte vor Freude, sie feierten mich als den einzig wahren E. Roos brüllte los, Ruhe im Glied als sich jemand zu Wort meldete von dem ich es überhaupt nicht erwartet hatte. Oberleutnant Nikolaus musste schon eine ganze Weile aus dem Fenster geschaut haben. Er hatte anscheinend die Sache mit verfolgt und rief, Klasse Müller. Endlich mal einer der Mut in der Hose hat. Ich werde dafür sorgen, dass sie die Qualispange trotzdem erhalten. Oberleutnant, Mensch haun sie ab da oben, brüllte der Major wie am Spieß. Patschen lachte ihn aus. Roos rannte nach oben. Nach einer viertel Stunde kam er wieder runter. Er ließ die Kompanie an die einzelnen Übungsstationen wegtreten und mich jagte er an die Waschrampe. Die zweite Kompanie hatte großen Waschtag mit ihren Lkws. Ich setzte mich in die Tankstelle und machte mir einen Bunten. Die Fahrübung am nächsten Tag musste ich mitmachen. Ach was sollte der Mist, keine drei Monate mehr, was sollte ich mich heiß machen? Die Soldaten vom zweiten Diensthalbjahr, Rosenbaum und Ziege hatten bösartigen Stress mit dem Militärstaatsanwalt. Sie waren in die Knochenmühle des Gesetztes geraten, ohne das sie was dafür konnten. Sie verkehrten im zivilen Leben in intellektuellen Kreisen. Einer ihrer Kumpels hatte versucht in den Westen zu türmen. An der tschechischen Grenze hatten sie ihn geschnappt und den Organen der DDR übergeben. Die hatten ihn richtig in die Mangel genommen, bis er alles sagte was sie wissen wollten. Unter anderem hatten sie ihm suggeriert er wäre von Freunden verpfiffen worden, ansonsten hätten sie ihn nicht gegriffen. Sie wollten von ihm wissen, wer über den Fluchtversuch bescheid wusste. Da sind die Namen Ziege uns Rosenbaum gefallen. Das sie den Fluchtversuch nicht gemeldet hatten, sollte ihnen nun angehangen werden. Es war einfach unglaublich. Auf der Kompanie wurde es unruhig. Die Staatsanwaltschaft ging in die Offensive und berief eine Versammlung ein. Ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft leitete die Versammlung. Es zeigte sich die ganze Perversität dieser Institution. Ich fragte den Mitarbeiter wie Ziege und Rosenbaum des Vergehens des Nichtanzeigens des Fluchtversuches angeklagt werden können, wenn sie anderseits dem Flüchtling erklärt hätten, er wäre verraten worden. Sofort wurde ich belehrt das es sich hier nicht um ein Vergehen handelt, sondern um eine Verletzung gültiger Gesetzte der DDR. Wer Gesetzte verletzt begeht Rechtsbruch. Außerdem wäre es eine gängige Praxis dem Landesverräter Fangfragen zu stellen.  Chaleri polterte los, selbst wenn sie es gewusst hätten, würden sie ihre Freunde verraten? Der Mitarbeiter meinte von Verrat kann in dem Fall keine Rede sein, weil es hier um die Vereitlung einer Straftat ging. Die Angeklagten sollten lieber einmal darüber nachdenken, in was für Kreisen sie verkehren. Rosenbaum meinte, gewisse Äußerungen nimmt man doch gar nicht für voll, wer hat denn nicht schon einmal gesagt, ich habe die Schnauze voll, ich haue ab. Bestimmt hat der Flüchtige sich so geäußert, wenn sie mir das so vorwerfen dann habe ich es wirklich gewusst. Der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft versuchte die Gemüter zu beruhigen. Na, na, na Genossen wir sitzen hier zusammen um in Zukunft solche Sachen zu vermeiden, Fehler können schließlich jedem einmal passieren. Eigentlich machte es überhaupt keinen Sinn mit solchen Menschen über diese Dinge zu reden. Die lebten in ihrer eigenen Welt. Das war schon beim Kaiser so. Ziege und Rosenbaum wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Die Bewährung dauerte bis zur Beendigung ihres aktiven Dienstes. Aus Protest zu diesem Urteil ließen sie sich Glatze schneiden. Roos bestrafte sie dafür mit Ausgangs – und Urlaubssperre.


Dienstag, 18. Oktober 2011

Muckerausbildung

Noch im Januar war Muckerausbildung angesetzt. Es sickerte durch, unter anderem sollte die Ausbildung mit scharfen Eierhandgranaten durchgeführt werden. Zur Aufwärmung mussten wir Schützenlöcher graben. Die ersten 10 – 20 cm Erde waren gefroren. Das Graben war ein Schund. Im Anschluss war Handgranatenzielwerfen mit scharfer Munition angesagt. Interessant waren die Sicherungsmaßnahmen. Wir mussten in einen Bunker, solange bis jeder an der Reihe war. Vom Bunker führte ein Schützengraben zur Stellung, von wo aus die Handgranaten geworfen wurden. Neben dem Werfer stand ein Offizier, der alles noch einmal erklärte. Vor der Stellung befand sich ein weiterer Schützengraben. Im Notfall schlug der Offizier dem Werfer die scharfgemachte Handgranate aus der Hand, wenn der vor Angst oder Aufregung die Handgranate nicht losließ. Die Handgranate viel dann in den Sicherheitsgraben. Während wir im Bunker auf unseren Einsatz warteten erzählten wir dem ersten Diensthalbjahr lauter Schauermärchen, was so alles passieren könnte. Dabei hatten wir selber noch nie scharfe Handgranaten geworfen. Aber wir hatten reichlich Phantasie. Taumelmüller wurde blass. Als Chaleri dann erzählte wie es seinem Kumpel die Hand abgerissen hatte, fingen seine Kniee an zu zittern. Dann war ich an der Reihe. Der Lückenhafte beaufsichtigte das Handgranatenzielwerfen. Er erklärte mir wo ich die Handgranate  hinwerfen sollte. Ich drücke den Hebel, zog den Splint, ließ den Hebel los, zählte bis drei und warf das Ding Richtung Ziel. Ich gebe es zu, das ich genau ins Zentrum geworfen hatte war Zufall. Darüber war ich selber erschrocken. Taumelmüller war fertig mit den Nerven als er ran musste. Lück musste ihn gewaltig auf die Hände schlagen, damit er die Eierhandgranate los ließ. Als Tagesabschluss wurde wieder der Sturmangriff geübt. Am nächsten Tag stand Schießen auf dem Plan. Der Lkw brachte uns zum Kammerforster Schießplatz. Da waren wir zwei Stunden unterwegs. Ich hatte bei der Armee gelernt schnell und möglichst überall einzuschlafen. Selbst auf der Wache am Postenpilz stehend war mir das gelungen. Das wäre vor der Armeezeit undenkbar gewesen. Also schlief ich auch auf dem Lkw. Die ersten Schießübungen hatten wir auf dem Drosselacker gehabt. Nach einen knappen halben Jahr sind wir dann immer nach Kammerforst gefahren. Erst hatte ich mich gewundert darüber, denn vom Weg war es schon ein gewaltiger Unterschied. Aber letztendlich konnte es mir egal sein, denn ich kam keinen Tag eher nach Hause. Da war es völlig Wurst auf welchem Schießplatz wir schossen. Als wir das erste Mal auf dem Kammerforster Schießplatz  auftauchten, leitete Major Bernd das Schießen. Roos hatte sich da wieder über alle Befehle weg gesetzt. Bernd hatte ausdrücklich verboten während des Schießens im Schussfeld rumzuturnen. Roos war das egal, als einer der Pappkameraden klemmte, stürzte er sich ins Schussfeld, um den Kameraden wieder aufzurichten. Bernd schrie kommen sie zurück, Major Roos. Den interessierte das nicht. Jeder wusste, solange das schießen nicht unterbrochen war, konnte immer was passieren und wenn so einer wie Roos da rumstützte konnte man 100 Prozent davon ausgehen, das was passierte. Vier Gefreite lagen mit der MPI im Anschlag, Lück stand daneben und passte auf. Auf einmal sah ich wie er Gefreiten Ritter auf die Hand und die Maschinenpistole trat. Keiner sagte ein Wort, erst als Roos aus dem Schussfeld war trat er wieder zurück. Offiziell hatte es den Vorfall natürlich nicht gegeben. Aber es war rum in der Kaserne.
Diesmal ging es ruhiger und friedlicher beim Schießen zu. Nur einige Springer zuckten rum, als ein paar von uns mit ihren Gewehren schießen wollten. Ich sagte zu Springschilling, entweder du gibst mir deine Kaschi oder du putzt meine mit. Er wählte das kleinere Übel. Waffenputzen wurde immer mal wieder angesetzt, nicht nur nach dem Schießen. Wenn Roos es beaufsichtigte wurde es prinzipiell auf dem Gang in der Kaserne durchgeführt. Bei den Zugführern sah das etwas anders aus. Da verkrümelten wir uns auf die Zimmer zumindest die E`s. Bei Übungen mussten die Resioffiziere mit raus. Sie wurden einem Berufsoffizier zugeordnet. ich sagte zu dem Leutnant der Luderer zugeordnet wurde, passen sie nur auf, dass den seine Blödheit nicht abfärbt. Die es hörten mussten lachen einschließlich des Resioffiziers. Luderer quäkte in seinem merkwürdigen Dialekt, Gungs was ist denn da schon wieder los. Ach sie schon wieder mit dabei, Müller, meinte er. Ich ignorierte seine Bemerkung, er war für mich Luft. Bei der nächsten Fahrübung revanchierte ich mich bei ihm. Er stand so schön neben einem gut gefüllten Schlagloch. Da wir bei Fahrübungen nie alleine Fahren durften packten sie uns immer einen Resioffizier auf den Lkw. Früher waren bei solchen Übungen nur die Hälfte der Fahrzeuge raus gefahren. Seit dem in Polen die Unruhen ausgebrochen waren, mussten alle Fahrzeuge rollen. Außerdem absolvierten wir Tankerfahrer noch einige Fahrstunden auf dem Sattelschlepper. Es machte mir direkt Spaß mit diesen langen Ungetümen durch die engen Gassen von Erfurt zu fahren. Die erhöhte Alarmbereitschaft galt logischer Weise nicht nur für unser Transportbataillon. Immer wieder konnten wir von unserem Stubenfenster die Fahrzeuge der Artillerie beobachten, wenn sie zur Übung ausrückten. Die Artilleristen waren in Erfurt auf der Henne stationiert. Von der Luftlinie hergesehen war die Kaserne vielleicht zwei Kilometer von uns entfernt, wenn überhaupt. Dazwischen lagen nur Feld und Sträucher. Nicht weit von Erfurt befanden sich die Kampfhubschrauber der sowjetischen Armee. Auf halber Strecke zwischen Erfurt und Weimar stand die Kaserne der russischen Soldaten in Nohra. Auch sie flogen verstärkt Einsätze. Ich sah es gerne wenn die Hubschrauber nachts flogen. An ihren Rotoren waren rote, gelbe und blaue Beleuchtungen angebracht. Die Bedeutung der Lichter war mir unbekannt, aber es sah immer so aus als ob nur Kreise am Himmel schwebten. Da sage einer, „die Armee wäre nicht romantisch“. Das die Anderen  Truppenteile verstärkt Übungen abhielten bekamen einige von uns auf eine andere Art und Weise zu spüren. Die Objekte mussten öfters mit Sprit versorgen werden. Das Empfanden wir eigentlich als eine angenehme Abwechslung. Wir brauchten dadurch nicht mehr sooft zum „Einarmigen“ laufen. Unsere Getränke brachten wir mit den Tankern rein. Wir ließen sie einfach in den Fahrzeugen liegen und schlichen uns nach 18.00 Uhr in den Fahrzeugpark. Die meisten Fahrten erledigten Rudi und Meise. Eines Tages kam Rudi von so einer Fahrt zurück, er sah blass aus und wirkte verstört. Dietmar der unter ihm im Bett schlief, war ein einfühlsamer Mensch. Er fragte Rudi was los ist. Erst wollte er überhaupt nichts sagen, aber dann als Dietmar nicht locker ließ, brach es aus ihm heraus. Der Batailloner persönlich hatte ihm beim Bier holen erwischt. Er kam aus der Kaufhalle und wollte mit seinem Teil zum Tanker, als der Batailloner gerade in den Konsum wollte. Da war er natürlich fällig. Das war bedauerlich aber nicht zu ändern. Nur dass Rudi sich das so zu Herzen nahm, verwunderte mich doch. Er hörte gar nicht mehr auf mit rumjammern, das war schon peinlich. Ich sagte zu ihm den Kopf werden sie dir nicht runterreisen. Aber wenn die mich degradieren, winselte er weiter, was sollen die Leute denn in Geising von mir denken. Entsetzt schauten Meise und ich mich an, wir dachten wohl das Selbe. Meise sagte zu ihm, na hör doch auf, so bekannt wirst du doch wohl nicht sein und wenn, was ist schon dabei wenn sie dich degradieren, da kannst du stolz drauf sein. Entgeistert guckte Rudi zu Meise,  dann legte er los. Du spinnst wohl, die Familie Rudolph ist eine angesehne Familie in Geising, eine Degradierung wäre eine Schande für unsere Familie. Bei uns kennt schließlich jeder noch jeden, das ist nicht so wie bei euch in der Stadt. Ich dachte ich bin im falschen Film und sagte zu Rudi, höre auf rum zu spinnen, du willst mir doch nicht erzählen, dass jeder auf jeden aufpasst, du Weichei. Rudis verhalten konnte ich nicht nachvollziehen, es war mir schlicht weg rätselhaft. Sollte der Unterschied zwischen Stadt und Land wirklich so groß sein. Obwohl sie ihn nicht degradiert hatten, wollte ich darüber nicht nachdenken. Rudi war ja ansonsten kein schlechter Kamerad und seine Schwächen hatte jeder.
Überhaupt waren manche Dinge die so passierten recht merkwürdig und warfen einen dunklen Schatten auf die Kaserne. Uns Soldaten war es verboten am Standort der Kaserne ein privates Fahrzeug zu stationieren. Ich machte mir darüber keine Gedanken, denn ich besaß ja kein eigenes Auto, wie die meisten Anderen auch. Das traf aber nicht für alle zu und einige hatten heimlich ihr Auto mit nach Erfurt gebracht. Für gewöhnlich dauerte es keine 4 Wochen, dann wusste der Batailloner bescheid. Die Soldaten mussten ihren Fahrzeugschlüssel abgeben. Als ich im zweiten Diensthalbjahr noch viel Feuerwache gestanden hatte, war ich auch mit Gefreiten aus der ersten Kompanie zusammen. Einer von ihnen hieß Gerhard und war aus Langebrück, einem kleinen Vorort von Dresden. Er hatte einen alten F8 mit nach Erfurt gebracht. Den hatte er in einer Garage abgestellt. Trotzdem dauerte es nur wenige Wochen, da musste auch er den Fahrzeugschlüssel abgeben. Dazu viel mir nichts ein,  denn der größte Lump im Land ist und bleibt der Denunziant.